Zhangjiajie – Märchenlandschaft und Megafone

Wo ist Zhangjiajie? Das werden sich viele Deutsche fragen, wenn sie diesen Namen hören. Den meisten Deutschen sind, wenn es um China geht, nur die Große Mauer, die verbotene Stadt, Beijng, Shanghai und vielleicht noch die drei Schluchten bekannt. Und letztere wohl auch eher in Zusammenhang mit dem berühmten Drei-Schluchten-Staudamm, denn als Naturwunder.

Wo und vor allem was ist denn nun Zhangjiajie? Zhangjiajie liegt im Nordwesten der Provinz Hunan und ist ein Landschaftsgebiet von ausnehmender, geradezu atemberaubender Schönheit und Einzigartigkeit. Die unter dem Namen Zhangjiajie bekannt gewordene Landschaft besteht eigentlich aus drei Gebieten: dem Nationalen Waldpark Zhangjiajie und den Naturschutzgebieten Suoxiyu und Tianzishan.

Was die Region so einzigartig macht ist eine bizarre bergige Landschaft aus Felsnadeln, -säulen und -pfeilern aus Quarzsandstein, die fast senkrecht in den Himmel ragen. Durch Verwitterung und Bewuchs haben viele der Felsnadeln seltsame Formen, in denen man mit ein bißchen Phantasie Figuren erkennen kann, was sich auch in den Namen manche besonders kurioser Formationen widerspiegelt: "der Hase schaut zum Mond", "zwei Schildkröten spähen in den Bach" oder "Brücke der Unsterblichen", um hier nur ein paar zu nennen.

1982 wurde Zhangjiajie zum ersten chinesischen Waldpark ernannt. Ein Teil des Naturschutzgebietes Suxiyu, Wulingyuan, wurde 1992 von der UNESCO in die Welterbeliste aufgenommen. 2003 war Wuliangyuan bei der ersten Gruppe der World Geological Parks der UNESCO dabei. Wulingyuan macht rund 369 qkm des knapp 1.000 qkm großen Gebietes aus.

Schnitt! Ein riesiger Parkplatz für Reisebusse, plärrende Megafone, Menschenmassen die den unterschiedlich gefärbten Fähnchen der Megafonhalter nacheilen, ein knappes Dutzend Kassenhäuschen, stählerne Abgrenzungen, um den Strom der Besucher geordnet an den Kartenkontrolleuren vorbeizuleiten. Disney Land? Nein, leider nicht. Der Eingang ins Landschaftsgebiet Zhangjiajie.

Die Bekanntheit, die Zhangjiajie nicht zuletzt durch seine Aufnahme in die UNESCO-Liste erlangt hat, hat zum Entstehen eines wahren Touristenstroms in das Gebiet geführt. Mit dem Resultat, dass man nun mit Seilbahnen, ja selbst mit einem in einen Berg gehauenen Aufzug, auf die Höhen und zu den Aussichtspunkten gelangen kann. Dort steht man dann vor einer wunderbaren Landschaft und hat keine Möglichkeit sie zu genießen oder auf sich wirken zu lassen, weil hinter einem und vor einem Megafone den Tourgruppen entgegenbrüllen, dass dies eine landschaftliche Sehenswürdigkeit ist.

Ähnlich verhält es sich mit der Höhle des gelben Drachen (Huanglong Dong). Das 20 qkm große und sich über vier Ebenen erstreckende Höhlensystem verfügt über eine ganze Reihe beeindruckender Sehenswürdigkeiten, darunter ein 19,20 Meter hoher Stalagmit, der für 100 Mio. RMB (10 Mio. €) versichert wurde und ein 600 Meter langer unterirdischer befahrbarer Fluß. Aber die in knallbunten Farben angestrahlten Stalaktiten und Stalagmiten verlieren ihren Reiz durch die Lautstärke, die in der Höhle herrscht. Die auch hier exzessiv eingesetzten Megafone verleihen diesem Millionen Jahre alten Ort die Atmosphäre einer überbeschäftigten Bahnhofshalle.

Das Traurige an dieser touristischen Übererschließung der Sehenswürdigkeiten in Zhangjiajie ist nicht nur, dass es den Besuchern unmöglich gemacht wird, die Landschaft zu genießen, sondern vor allem auch, dass es vielen Leuten schwerfällt, noch Respekt für die Größe der Natur zu empfinden. Davon zeugen die Hinterlassenschaften vieler Touristen, die sich in Form von leeren Wasserflaschen etc. in den Hängen und Gebüschen des Parks manifestieren, ebenso, wie der Höhlenbesucher, der mir und meinem südafrikanischen Kollegen entgegenkam und der seine Bronchien lautstark zwischen einige Stalagmiten entleerte.

Dennoch, Zhangjiajie ist sehenswert. Man sollte aber versuchen, den Touristenmassen zu entkommen. Dies ist auch gar nicht so schwer, da die Tourgruppen in Bussen von einem Aussichtspunkt zum nächsten transportiert werden. Die Wege dazwischen sind menschenleer und bieten viele interessante Aussichten. Verlässt man sich also auf seine natürlichen Fortbewegungsmittel und bewegt sich abseits der Touristenwege, ist es durchaus möglich schöne Plätze zu finden, von denen aus man in Ruhe die Einzigartigkeit dieser faszinierenden Landschaft genießen kann.

Eine andere Möglichkeit ist vielleicht, mit dem Fahrrad die Umgebung des Parks zu erkunden, da die Fläche des Landschaftsgebiets wesentlich größer ist als die der touristisch erschlossenen Gebiete. Dort gibt es daher mit Sicherheit noch einiges zu entdecken. Die beeindruckendsten Aussichten befinden sich allerdings in den touristisch erschlossenen Gebieten.

(China.org.cn, 19. Oktober 2004)