Das Hanshan-Kloster in Suzhou

Der Glockenklang des Suzhouer Hanshan-Tempels um Mitternacht. Den Tempel mit seinen hellen Glockenklang beschrieb der Tang-Dichter Zhang Ji vor mehr als 1.000 Jahren. Das Gedicht erzählt von einer nebeligen Nacht, in der ein einsamer Reisender in seinem Boot den Glockenklang hörte. Dieses Gedicht kann heute fast jeder chinesische Schüler aufsagen, doch die im Reim verewigte Einsamkeit auf einer langen Reise, weit entfernt von der Heimat, können nur diejenigen mitfühlen, die Heimweh haben.

Der Hanshan-Tempel liegt nicht weit vom Stadtzentrum Suzhous entfernt. Fährt man auf einer der von Phönixbäumen gesäumten engen Straßen nach Westen, trifft man bald auf ein Bächlein, das sich durch die westlichen Vororte schlängelt. Und an diesem Bächlein findet sich dann der Hanshan-Tempel.

Das buddhistische Kloster kann auf eine 1.400 Jahre lange Geschichte zurückblicken. Die Tempelanlage erstreckt sich auf einer Gesamtfläche von 10.000 Quadratmetern. Der Eingang zeigt nach Westen, da Buddha für Gläubige im Westen zu suchen ist. Eine riesige Buddha-Statue thront in der Mitte der Haupthalle des Klosters.

Zum chinesischen Frühlingsfest reisen Hunderte Pilger, darunter auch aus Japan, zum Hanshan-Tempel. Sie glauben, dass man all den Kummer und die Sorgen des vergangenen Jahres vergisst, wenn man die Glocke in der Nacht zum Neujahr ertönen hört.

Um dieses Kloster ranken sich, wie sollte es anders sein, viele Mythen und Geschichten. Unser Reisebegleiter Teng Teng erzählte uns eine alte Überlieferung, wie das Kloster den Namen Hanshan erhielt: "Der Name des Klosters geht auf einen Wettbewerb zwischen 2 Mönchen zurück. Der eine hieß Han-Shan und der andere Shi-De. Einer von ihnen sollte der Abt des Klosters werden. Doch beide zierten sich. Da kam eine ältere Frau, die sagte, wer über Nacht eine Brücke über den Fluss vor dem Kloster zaubern könne, der solle der zukünftige Abt sein.

Der Mönch Shi-De zog seine Robe aus und versuchte, sie in eine Brücke zu verwandeln. Doch der Wind blies heftig, und die aus der Robe verwandelte Brücke drohte zusammenzubrechen. Gerade in jenem Moment warf der andere Mönch Hanshan seinen Stock und verwandeltet ihn in einen Baum. Anschließend neigte sich der Baum und wurde zu einer Brücke über den Fluss. Das ganze beobachte die ältere Frau und urteilte dann, Meister Han-Shan sei Meister Shi-De überlegen, Han-Shan solle der Abt sein. Seitdem heißt das Kloster Hanshan-Tempel. Und die Brücke, erzählt die Überlieferung weiter, hieß von da an Amber-Brücke, denn der Stock von Han-Shan soll aus Amberholz geschnitzt gewesen sein."

Auch heute kann man noch im Hanshan-Tempel die Statuen der beiden Meister sehen. Sie sehen deutlich freundlicher aus als die anderen Mönch-Statuen. Sie lächeln und strahlen Gelassenheit aus. Der eine hält eine Lotusblume in der Hand und der andere einen Kasten. Der Lotus und der Kasten, beides heilige Symbole im Buddhismus, symbolisieren Eintracht.

Meister Guo Hong ist seit 12 Jahren Mönch im Hanshan-Tempel, er erzählt, dass der älteste Mönch im Kloster Xingkong heiße und schon 84 Jahre alt sei. Der jüngste Mönch hingegen sei gerade mal 20.

Im Han-Shan-Kloster befindet sich ein langer Wandelgang, in dem Stelen mit Kaligraphie-Inschriften zu sehen sind. Die Kaligraphien in den verschiedensten Stilrichtungen stammen aus unterschiedlichen Epochen. Eine Kopie dieser Kaligraphien ist ein beliebtes Souvenir für viele Besucher und ein schönes Geschenk für Freunde zu Hause.

Die Glocke befindet sich in einem 2-stöckigen Glockenturm. Der Glockenturm mit der Glocke gehört zusammen mit dem Kaligraphie-Wandelgang und der Amber-Brücke vor dem Kloster-Eingang zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten des Hanshan-Tempel. In der letzten Nacht eines Mondjahres wird die Glocke im Hanshan-Tempel 108 Mal geschlagen, so wie es eine seit 1.000 Jahren überlieferte Tradition verlangt.

(CRI/China.org.cn, 1. Juli 2004)